Der Innenminister und viele leere Stühle
Informationsveranstaltung zur geplanten Außenstelle der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in der ehemaligen Lausitz-Kaserne in Doberlug-Kirchhain am 29.01.2015
– Zusammenfassung für interessierte Bürger – (Download als pdf)
Am 29.01.2015 fand in der Stadthalle von Doberlug-Kirchhain die vom Innenministerium Ende 2014 angekündigte Informationsveranstaltung zur geplanten Außenstelle der ZABH (Zentrale Ausländerbehörde) statt.
Der Presse (Lausitzer Rundschau, Artikel „Innenminister lüftet Pläne zur Lausitz-Kaserne“ vom 28.01.2015) war zu entnehmen, dass im Vorfeld 360 Anwohner und Gewerbetreibende namentlich eingeladen worden waren und Vereinschefs, Versorgungsdienstleister und Vertreter von Institutionen sowie Abgeordnete der Stadt angeschrieben wurden.
Die Kreistagsabgeordneten mit Ausnahme des Vorsitzenden waren nicht eingeladen.
Nicht zuletzt aufgrund dieser Beschränkung und und weil viele interessierte Bürger über das Einlassverfahren verunsichert waren, blieben viele Plätze in der Stadthalle leer.
Der AfD-Kreisverband Elbe-Elster war für Sie mit 4 Vertretern vor Ort (Vorsitzender Volker Nothing, stellvertretender Vorsitzender Jeffrey Halbin, Schriftführer Maximilian Schulze und Kreistagsabgeordneter Andreas Franke).
Die Veranstaltung wurde um 17.35 Uhr vom Pressesprecher des Innenministeriums, der die Veranstaltung auch moderierte, eröffnet.
Auf dem Podium saßen:
Herr Ballerstaedt (Leiter der Polizeiinspektion Elbe-Elster),
Herr Feuring (ehemaliger Polizeipräsident und Staatssekretär im Innenministerium),
Herr Decker (Pressesprecher MIK),
Herr Schröter (Innenminister),
Herr Heinrich-Jaschinski (Landrat)
Herr Broszinski (Bürgermeister Doberlug-Kirchhain)
Herr Pranz (stellvertretender Landesbrandmeister).
Für Innenminister Schröter, der anschließend sprach, war es die 5. Veranstaltung dieser Art. Die Plätze waren dabei häufig sehr knapp, weshalb diesmal Einladungen „an alle mit ehrlichem Informationsbedürfnis“ gingen.
Er informierte darüber, dass im letzten Jahr 6.315 Asylbewerber in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt aufgenommen wurden.
In Eisenhüttenstadt erfolgen u. a. medizinische Erstuntersuchungen, so dass alle Asylbewerber, die hierher kommen, diese schon hinter sich haben.
Herr Schröter stimmte die Bürger auf künftig steigende Flüchtlingszahlen ein. Ende 2015 ist mit 3000 Erstaufnahmeplätzen in Brandenburg zu rechnen.
Erste Überlegungen für Doberlug-Kirchhain als Standort und erste Besichtigungen gab es im Frühsom-mer 2014. Bei der Standortentscheidung haben weder der Bürgermeister noch der Landrat mitgewirkt. Die Entscheidung wurde in Potsdam getroffen, wobei die Verfügbarkeit, der gute Zustand der Kaserne und gute Möglichkeiten für Querschnittsaufgaben (z. B. Möglichkeiten des Deutschunterrichts) als Kriterien eine Rolle spielten.
Die Besucher erfuhren, dass es z. B. bei der Erstaufnahme keine Schulpflicht für die Kinder gibt, so dass sie nicht die örtlichen Schulen besuchen werden.
Die Erstaufnahmeeinrichtung muss spätestens nach 3 Monaten verlassen werden, in der Regel dauert der Aufenthalt nur 8 Wochen. Danach erfolgt die Verteilung im Land.
Für Brandenburg gibt es eine Aufnahmequote von 3,06% nach dem Königsteiner Schlüssel, für den Landkreis Elbe-Elster etwas über 4%.
Anschließend äußerte sich Herr Nürnberger zum Betrieb der Einrichtung.
Zu den Aufgaben der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) gehört u. a. neben der Beschaffung von Ersatzpapieren und Abschiebung die Erstaufnahme von Asylantragstellern. Die Bearbeitung der Anträge selbst erfolgt ausschließlich durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Der zentrale Zugang für die Asylantragsteller soll weiterhin Eisenhüttenstadt sein; aufgrund des zu erwartenden starken Zuwachses werden jedoch weitere Kapazitäten gebraucht.
Im Gegensatz zu Brandenburg erfolgt die Folgeunterbringung in den meisten Bundesländern noch vor der Asylantragstellung. Die Anträge können in Brandenburg frühestens nach 6 Wochen gestellt werden.
Zum Standort Doberlug-Kirchhain gab Herr Nürnberger folgende Informationen:
– das 4-geschossige Gebäude wird als Männerwohnheim mit max. 256 Plätzen genutzt werden
– das 6-geschossige Gebäude als Familienwohnheim mit maximal 513 Plätzen
– in Summe also eine Kapazität von 769 Plätzen
– das ehemalige Clubhaus wird für Deutschunterricht (auch für Erwachsene), eine Kinderbetreu-ung, Internet-Cafe usw. genutzt
– es wird eine Ambulanz und eine Mensa geben
– als einzige Neubauten werden Infektionsschutzcontainer mit 2 x 20 Plätzen errichtet
– der Betrieb erfolgt durch einen Dienstleister; es erfolgt eine öffentliche Ausschreibung für
o Wohnheimbetrieb
o Wachschutz
o Fahrleistungen
o Sozialdienst, Kinderbetreuung
o Auftragspaket für medizinische Dienstleistungen
– es gilt das Sachleistungsprinzip (für persönliche Bedürfnisse gibt es „Taschengeld“, Satz für Alleinreisende beträgt z. B. max. 143 €/Monat)
– die Aufgaben liegen ausschließlich bei der ZABH, die Kosten trägt das Land (der Steuerzahler)
– zur Ausgangsregelung: da die Einrichtung keine Haftanstalt ist, können die Asylsuchenden jederzeit ein- und ausgehen; dabei müssen sie sich registrieren („Karte ziehen“)
– die Transporte soll der Wachschutz übernehmen
– die Buslinie 571 soll „verdichtet“ werden auf einen Stundentakt
– zur Sicherheit und Ordnung: es wird von 10 Mann starkem Wachschutzpersonal rund um die Uhr ausgegangen
– bitte keine Sachspenden (Möbel usw.), da die Unterbringung nur kurzfristig ist
Herr Schröter kündigte einen Tag der offenen Tür an, der unmittelbar vor der Belegung voraussichtlich im Herbst stattfinden wird.
Herr Broszinski warb für eine Willkommenskultur. Die hier ankommenden Asylsuchenden seien keine Wirtschaftsflüchtlinge, sondern kämen größtenteils aus Syrien.
Herr Heinrich-Jaschinski verlieh seiner Freude über das große Interesse Ausdruck und verwies auf das grundgesetzlich verankerte Asylrecht.
Anschließend hatten die Bürger die Möglichkeit zu Wortmeldungen und konnten Fragen an die Verantwortlichen richten.
Nahezu einhellig wurden das Einladungsverfahren und die dürftigen Informationen kritisiert. Es wurde der Darstellung von Innenminister Schröter widersprochen, dass es sich um eine öffentliche und für jedermann zugängliche Veranstaltung handelte. Durch die versandten persönlichen Einladungen und die entsprechenden Verlautbarungen in der Presse sind viele interessierte Bürger aus Anstand nicht erschienen, obwohl sie aus Interesse gerne gekommen wären. Eine Rednerin hatte „durch den Busch-funk“ von dieser Veranstaltung erfahren und sich „eingeschlichen“. Viele der erschienenen Anwohner hatten keine Einladung erhalten und waren (zumindest teilweise) entsprechend verärgert. Herr Schröter verteidigte die Vorgehensweise damit, dass vorrangig den unmittelbaren Anwohnern und Multiplikatoren die Teilnahme ermöglicht werden sollte, konnte nach meinem Eindruck damit jedoch nicht überzeugen (auch mich nicht).
Vertreter von auf dem Gelände ansässigen Gewerbetreibenden und Sportvereinen und auch andere Besucher stellten u. a. Sicherheitsfragen. Das Gelände wurde mit privatem Engagement und öffentlichen Geldern wieder hergerichtet.
Herr Schröter betonte, dass „keiner verdrängt werden“ soll. Dem Sicherheitsbedürfnis werde entspro-chen, wobei er auf die bereits erwähnten 10 Wachleute verwies. Das Gelände werde abgezäunt.
Er regte eine Öffnung der Sportvereine an und sprach von den Integrationsmöglichkeiten des Sports.
Zu dem nach Aussage einer Anwohnerin noch von der Bundeswehr genutzten Übungsplatz wird ein Lärmschutzwall errichtet.
Einige Bürger machten sich Sorgen um ihre und die Sicherheit in der Stadt. Es wurde gefragt, wie kont-rolliert wird, wer genau da zu uns kommt. Die Antwort vom Innenminister war, dass es sich um Flüch-tlinge und keine Straftäter handele. Später führte er aus, Doberlug-Kirchhain hätte wenig Anlass zur Sorge wegen terroristischer Aktivitäten, was ein Vorteil der Provinz sei.
Der Standort sei wie ein kleiner Ortsteil mit Infrastruktur, der nicht unbedingt verlassen werden muss; es werden also nicht alle 800 Bewohner täglich in der Stadt sein. So werden zum Beispiel viele nach Berlin reisen.
Er sagte auch: „…die Stadt wird bunter, sie wird etwas erleben, was sie noch nicht kennt.“
Herr Nürnberger verwies auf die Anerkennungsquote von über 90 Prozent bei Syrern.
Es gebe allenfalls harmlose Reibereien, aber keine Schwerkriminalität. Von den Bewohnern der Einrich-tung gehe keine Gefahr aus.
Herr Ballerstaedt verwies in diesem Zusammenhang auf die vielen fremden Besucher der Landesaus-stellung in Doberlug-Kirchhain, mit denen es auch keine Probleme gab. Er zog allen Ernstes einen Ver-gleich, was für Unruhe im Saal sorgte.
Kritisiert wurde die massive Polizeipräsenz (8 Mannschaftswagen wurden gezählt) vor Ort, während es ohne Ministerbesuch damit ein wenig anders aussieht. Es wurde die Ansicht vertreten, dass bei 10% Bevölkerungszuwachs auch die Polizeipräsenz erhöht werden solle. Ein Anwohner sprach die fehlende Bereitschaftspolizei im Bereich Doberlug-Kirchhain an.
Den Äußerungen von Herrn Ballerstaedt konnte man entnehmen, dass es seitens der Polizei kein besonderes Konzept gibt.
Besser scheint da die Feuerwehr aufgestellt zu sein. Auf die entsprechende Frage wurde darauf hingewiesen, dass es in Doberlug-Kirchhain eine von sechs Stützpunkt-Feuerwehren gibt. Der Brandschutz wird nicht leiden und es werden entsprechende Konzepte ausgearbeitet.
Die Forderung nach einem direkten, namentlich benannten Ansprechpartner mit veröffentlichter Tele-fonnummer für die Bürger wurde gestellt. Von Herrn Nürnberger wurde zugesagt, das sicherzustellen.
Herr Schröter versprach laufende Informationen über alle bedeutenden Dinge zu den SV-Versammlungen. Auf die Bitte von Andreas Franke (AfD), auch den Kreistag laufend zu informieren, wurde auch dies zugesagt.
Es kamen Fragen auf, ob und welche anderen Standorte geprüft worden seien. Frau Heinrich (CDU) sprach dabei konkret mögliche Standorte an. Diese wären nach Auskunft von Herrn Schröter und Nürnberger geprüft worden. Herr Schröter ließ durchblicken, dass auch noch weitere Standorte im Gespräch seien, zum Beispiel Cottbus.
Fragen nach dem Zeitplan beantwortete der Innenminister ausweichend, da man noch in der Planungsphase sei.
In diesem Zusammenhang wurde gesagt, dass ca. 80 Arbeitsplätze vorgehalten und die regionalen Handwerker partizipieren würden. Die Ausschreibungen erfolgen lokal und werden durch eine Anwaltskanzlei vorgenommen. Sie werden in Tageszeitungen, Anzeigenblättern und auf Vergabeplattformen veröffentlicht.
In Eisenhüttenstadt kommen die Anbieter aus dem Ort.
Herr Nürnberger antwortete auf die Frage, wo denn die erforderlichen Ärzte „gewonnen“ werden sollten, dass er bereits die erste Bewerbung entgegengenommen habe und gab sich nach seinen bisherigen Erfahrungen optimistisch.
Von Herrn Genilke (CDU) kam in diesem Zusammenhang die Bitte, dass auch die Bürger von sich ansiedelnden Fachärzten profitieren sollten.
Das Thema der verschiedenen Religionen der Asylsuchenden kam auch auf den Tisch. Diese sind nach Aussage von Herrn Nürnberger im Nutzungskonzept berücksichtigt. So wird es Andachtsräume geben, und die Bewohner können zwischen 3 verschiedenen Menüs wählen.
Bei dem angesprochenen Bustransfer handelt es sich um eine öffentliche Buslinie, die jeder nutzen kann. Die Asylbewerber werden Zuschüsse für die Tickets erhalten.
Das Thema Finanzierung wurde ebenfalls angesprochen. Diese erfolgt aus Steuergeldern.
Kritisch hinterfragt wurde auch die Tatsache, dass ein Betreiber gesucht werde, und die Einrichtung nicht selbst unter direkter Einstellung von Personal betrieben werde. So sind wieder Subunternehmer beteiligt (ich gehe davon aus, dass damit prekäre Beschäftigungsverhältnisse angesprochen werden sollten). Herr Schröter sprach von guten Erfahrungen mit der Vergabe.
Sehr häufig wurde betont, dass Sorgen, Ängste und Kritik sehr ernst genommen würden. Man sei bemüht, nicht beantwortete Fragen einer Lösung zuzuführen. Gelobt wurde auch die sachliche Atmosphäre. Man könne aber „nicht immer das tun, was der Bürger möchte“ (Zitat Innenminister). Positive Effekte für den Ort wurden angekündigt.
Gegen 19.30 Uhr schlug Herr Decker vor, noch 3 Fragen zuzulassen.
In seinem Schlusswort befand der Innenminister, es sei „wärmer im Raum geworden“.
Mit seiner Einschätzung, die Doberlug-Kirchhainer seien nun „in freudiger Erwartung“, dürfte er aber nicht bei allen auf Zustimmung stoßen.
Die Veranstaltung endete ca. 19.45 Uhr.
Dieser Bericht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und gibt meine Eindrücke der Veranstaltung wieder. Aus Zeitgründen konnte er erst heute fertiggestellt werden. Für konstruktive Hinweise und Ergänzungen bin ich dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Jeffrey Halbin
(stellvertretender Vorsitzender)